Hey, ich hatte in den letzten Jahren teilweise schlimme depressive Phasen, unter anderem 2022, in dem ich auch zu meiner ersten Fusion gefahren bin. Mittlerweile bin ich zum Glück etwas stabiler.
Hier ein Erfahrungsbericht von mir 2022:
Ich habe wie du auch sehr drauf hingefiebert und war total aufgeregt davor. Ich hatte natürlich auch zwangsläufig ein bestimmtes inneres Bild und auch Erwartungen von dem Festival, wie es zu sein hat und wie ich dort zu sein habe. Ich hatte einfach keinen Bock mehr auf Depressionen, Selbstzweifel, Ängste, Panikattacken und wollte eine unbeschwerte Zeit haben. Dann dort wollte ich natürlich alles an Eindrücken/Drogen/Floors mitnehmen/aufsaugen/erleben was geht.
Überraschung - das hat nicht so gut geklappt.
Ich war absolut überfordert und fühlte mich total rastlos. Ich war rückblickend überall und nirgendwo gleichzeitig und konnte mich so auch auf nichts wirklich einlassen.
Wie Andere hier schon geschrieben haben, war für mich das Schlimmste, andere FestivalbesucherInnen zu sehen, die anscheinend gerade die Zeit ihres Lebens haben. Und man selbst krebst im Selbstmitleid und Mangelgefühlen über's Gelände..
Es gab schon einige Momente dort, in denen ich mich selbst absolut nicht mochte und das auf andere Menschen um mich herum projeziert hab, was im Endeffekt wahrscheinlich auch nur Neid war. Dass sie gerade mehr Spaß haben als ich, sich freier fühlen als ich, nicht so verkopft sind wie ich, kann man endlos so weiterführen.
Und das ist gar keine gute Grundlage für mich gewesen, da ich auch nicht mehr meine eigenen Grenzen wahrgenommen hab, sondern auch aktiv oder auch unbewusst verschoben habe, um noch mehr "rauszuholen", was aber genau das Gegenteil gebracht hat. Am Ende war ich nur total aufgekratzt und konnte nicht wirklich das genießen, von dem ich geglaubt habe, dass ich es toll finden werde.
Jetzt will ich natürlich nicht noch mehr Befürchtungen und Ängste in dir hervorrufen, sondern dich ermutigen, da du dort auch eine sehr sehr schön Zeit haben kannst. Vielleicht steht die Fusion auch nur stellvertretend für viele andere Situationen im Leben.
Ich glaube, es geht darum, sich selbst ernst zu nehmen und damit auch seine Grenzen. Fusion ist für einen selbst nicht 5 Tage Dauerparty und immer gute Laune. Auch geht es finde ich darum, sich abzugrenzen. Wenn jemand eine ganz ganz tolle Zeit gerade hat und du nicht, dann ist das ok, das wird zwangsläufig passieren.
Klingt banal, aber ich finde, die Grundbedürfnisse (viel Schlaf, gutes Essen und Ruhe) sind extrem wichtig schon mal.
Ich konnte an der Dubstation immer ganz gut abschalten. Ich habe mir Ohropax und ein Buch mitgenommen und konnte vergessen, dass gerade 70000 Menschen um mich rum sind.
Als Campingspot kann ich dir die Insel empfehlen, dort geht es ein bisschen ruhiger und entspannter zu.
Vielleicht kannst du auch Routinen aus deinem Alltag mit einbinden, die dir im ganzen Gewusel eine Struktur geben, z.B. ausgiebig frühstücken und dir Zeit für dich nehmen.
Im Nachhinein waren für mich die schönsten Momente in diesem Jahr der Fusion ganz "einfache". Aber z.B. morgens in der Duschschlange stehen, mit Leuten quatschen, dem Bachstelzenfloor zu lauschen und dann zu sehen wie sich alle und man selbst im kalten Duschwasser quälen

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Dann im See schwimmen zu gehen und auch mich durch die Essenstände zu probieren. Klingt nicht so aufregend, war es auch nicht und das ist auch nicht schlimm. Das war es für mich damals, aber heute nicht mehr und darum bin ich sehr froh.
Deshalb versuche ich auch solche vermeintlich kleine Momente wert zu schätzen und du kannst das bestimmt auch!
Wie du merkst, ging es bei mir ganz stark ums Vergleichen. Depressionen bilden ja ganz eigene Auswüchse an Mangelgefühlen aus, deshalb weiß ich ja nicht wie es bei dir ist. Und natürlich sind bei mir diese Züge zum Teil immer noch da und kann sie auch nicht abstellen, aber durch oben genanntes gelingt es mir meistens ganz gut, mit solchen Situationen umzugehen.
Ich bin mir sicher, wenn es mir gelingt, dann dir auch.
Egal wie du dich entscheidest, das ist ok so. Viel Kraft dir
