emanuel hat geschrieben: ↑Sa 8. Jun 2024, 16:23
@ulix, ist das nicht ermüdent, Leuten, die Du nicht kennst ständig Dinge an den Kopf zu werfen, die nur der eigenen Aufwertung dienen (das werf ich dir jetzt mal an den Kopf)?
Bei vielen Dingen, die Du schreibst, denke ich mir nur "checkt er*sie denn nicht, dass das spiegelbildlich genau so ihm*ihr gesagt werden könnte?" Du denkst, dass andere noch nie eine palästinensische Quelle herangezogen haben, nur weil sie - verkürzt gesagt - die Hamas als Terrorvereinigung ansehen und sich für das Existenszrecht Israels aussprechen. Das soll nicht möglich sein, wenn mensch auch palästinensische Quellen heranzieht? UNd wie ist es denn mit Dir? Zeigen Dir deine Algorythmen überhaupt noch anderen Quellen an? Wohl nicht. Suchtst Du dann aktiv nach anderen Quellen, die nicht aus Deiner Meinungsbubble kommen?
Du hast irgendwann mal betont, dass sich der 7. Oktober nur gegen Israelis und nicht gegen Juden gewendet hat. Dies macht den Eindruck, als hättest Du nicht einmal "neutrale" Quellen herangezogen, wie original Videoaufnahmen.
Weil ich so oft schon solche Sachen gehört habe à la "7.10. war zwar nicht schön, aber verständlich und hatte nichts mit Antisemitismus zu tun, sondern nur mit Widerstand gegen die Unterdrücker" habe ich mir stundenlang original Videoaufnahmen durchgesehen: Nicht einmal rufen die Terroristen "Tod den Israelis, Unterdrückern o.ä., sondern ausschließlich "Tod den Juden", "Allah, hilf uns alle Juden zu vernichtet" etc.
Zuerst einmal habe ich prinzipiell überhaupt nichts dagegen, wenn jemand am "Existenzrecht Israels" festhält und es auch verteidigt. Auf das wie kommt es an, und was damit gemeint ist. Und ich habe ein Problem damit, wenn die Zustimmung zu diesem Existenzrecht als Minimalkonsens vorausgesetzt wird.
Das Ganze ist vor allem auf zwei Ebenen problematisch:
1. Der israelische Staat existierte fast seine gesamte Geschichte lang als Apartheidsstaat, in dem Araber (zuerst israelische Araber, später Palästinenser) fast vollkommen entrechtet sind, und die territoriale Expansion des Staates und seiner Institutionen stattfindet, indem diese Leute vertrieben werden - durch ethnische Säuberung also.
Kurzer historischer Ausflug: Genau genommen gab es so etwa 8 Monate in der israelischen Geschichte, als das Land (auf dem Papier zumindest) kein Apartheidsstaat war. Ende 1966 gab man israelischen Arabern Bürgerrechte (hatten sie vorher nicht!). Nur um dann Mitte 1967 in einem Angriffskrieg Gaza und Westbank zu erobern, womit man dann eine neue entrechtete Klasse aus Arabern hatte, bis heute.
Wenn jemand das Existenzrecht dieses Staates in Frage stellt, dann sollte man also nicht gleich eine reflexhafte Abwehrhaltung einnehmen, sondern vielleicht mal fragen was und wie es gemeint ist.
2. Die Fusion ist auch stark anarchistisch geprägt. Und zum Anarchismus der meisten Ausprägungen gehört es (und zwar grundlegend!) das Existenzrecht von Staaten an sich in Zweifel zu ziehen, aller Staaten - also auch Israels.
Wenn jetzt allerdings jemand das "Existenzrecht Israels" verteidigt, und damit irgendeine nicht-existierende Utopie eines demokratischen Staates meint, der sich zwar "jüdisch" nennt, aber der nicht riesige Teile seiner Bevölkerung brutal unterdrückt, vertreibt, und gelegentlich in Massen abschlachtet, dann habe ich da kein Problem mit, auch wenn mich dann interessieren würde, wie man zu diesem Ziel gelangen soll.
Denn erstmal ist das ja ein Widerspruch: ein Staat der sich als "jüdisch" (oder christlich, muslimisch, whatever) definiert, in dem aber auch andere leben und gleichberechtigt sein sollen.
Auf Martin Buber habe ich ja schon öfter verwiesen. Mit solchen Zionisten könnte man arbeiten, aber ich wiederhole mich: sie sind genauso lange tot und begraben wie ihre (recht vernünftige) Ideologie.
Zu meiner "Meinungsbubble": ich bin Linker.
Entsprechend orientiere ich mich an linken Stimmen, linken Juden in Israel und weltweit, und anderen linken Stimmen. Und damit meine ich nicht die israelische Arbeiterpartei oder so, also ursprünglich halbwegs linke Parteien, die ihren linken Kern aber längst verraten haben (ist ja nicht nur ein Problem der israelischen Sozialdemokratie). Meretz meinetwegen. Aber diese Linken sind in Israel natürlich eine verschwindend kleine Minderheit. Es gibt deshalb auch kaum einen "westlichen" Staat, in dem der Rassismus und die institutionelle und informelle Diskriminierung gegen einen so großen Teil der Bevölkerung so stark ausgeprägt sind.
Dass der 7. Oktober sich "nur" gegen Israelis richten würde, aber nicht gegen Juden habe ich (wenn ich mich richtig erinnere?) nie gesagt. Falls doch: stimmt natürlich nicht. Was allerdings stimmt: Die Hamas als überwiegend antisemitische, und nicht antikolonialistische Guerilla-Truppe zu sehen ist falsch. Eine Hamas oder sowas ähnliches gäbe es wahrscheinlich auch dann, wenn es sich bei den beiden Gruppen um zwei Sekten des Judentums handeln würde. Ihre Entstehung und ihr Rekrutierungspotential entspringen nicht (hauptsächlich) irgendeinem intrinsischen arabischen Antisemitismus, sondern ganz konkreter (materialistischer) jahrzehntelanger Unterdrückung.
Was alles nicht heißt, dass die Hamas nicht antisemitisch sei, oder die meisten in der Hamas nicht mit Sicherheit Antisemiten seien. Das ist sicherlich so. Auch hatten viele der Hamas-Kämpfer am 7. Oktober natürlich Lust "Juden zu töten", klar.
Aber diesen Antisemitismus zum hauptsächlichen und definierenden Wesensmerkmal der Hamas zu erklären ist in erster Linie (extrem simplizistische und verkürzte) Propaganda, um brutales israelisches Vorgehen zu rechtfertigen.
"Die Hamas sind die neue SS", "die Hamas sind die heutigen Nazis!", "die Hamas ist sowas wie der IS!"
Blödsinn.
Jetzt wird mir sicherlich wieder irgendjemand "Relativierung" vorwerfen, aber wenn eine etwas weitergehende undogmatische Analyse als unberechtigte "Relativierung" diffamiert wird, dann tuts mit Leid, werd ich damit trotzdem nicht aufhören.
Bezüglich "Original-Videoaufnahmen": die beste Video-Dokumentation zum 7. Oktober stammt immer noch von Al Jazeera:
https://www.youtube.com/watch?v=_0atzea-mPY
Diese Dokumentation der Ereignisse vom 7. Oktober zeigt einerseits die (tatsächlich passierten) brutalen Verbrechen der Hamas, aber auch die anschließende Mythenbildung und Übertreibung der israelischen Propagandamaschine, die dazu diente die Gegenseite so weit wie möglich zu entmenschlichen. Die 40 geköpften Babies (die es nie gab, 1 bzw. 2 Babies sind am 7. Oktober umgekommen/wurden ermordet) sind da nur das prominenteste Beispiel.
Hast du dir eigentlich, wenn du dir stundenlang Videoaufnahmen von Hamas-Kriegsverbrechen angeguckt hast, auch mal das israelische Social-Media Genre gegeben, bei dem IDF-Soldat*innen stolz und oft höhnisch ihre Kriegsverbrechen präsentieren (was fast nie Konsequenzen für die Täter*innen hat)?