Wer wissen will...

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funkyjay
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Registriert: Fr 18. Nov 2011, 18:12

Re: Wer wissen will...

Beitrag von funkyjay »

Die bisherigen Erfahrungen mit sozialistischen Systemen sprechen da meiner Meinung nach aber eine ganz andere Sprache, aber ich will hier auch nicht unbedingt eine grosse "System"Diskussion lostreten.

Nur sollte man beachten, was bei diesem relativ kleinen Kommunismusexperiment "Fusion" schon für Probleme zu Tage treten(und da nehmen die Menschen freiwillig daran teil, wissen mehr oder weniger, worauf sie sich einlassen und man sollte davon ausgehen können, das sie dem Experiment gegenüber positiv&wohlwollend eingestellt sind)

Aber es geht schon bei den Eintrittskarten los. Jeder will ein Stück vom Kuchen abhaben, und bekommt er es nicht(oder die Chance darauf ist klein), so ist das ganze System gleich ungerecht, kacke, benachteiligend und die Organisatoren sind von jetzt auf gleich die größten Arschgeigen.

Ein weiteres essentielles Thema jeder Gesellschaft was mir spontan einfällt: Müll! Man sollte ja meinen, das bei einem Festival wo der Community Gedanke im Vordergrund steht, jeder darauf achtet es dem anderen so angenehm wie möglich zu machen und für bischen Wohlfühlathmosphäre sorgt. Aber das scheint ja nicht mal während 4 Tagen zu klappen...Bierflaschen landen auf der Wiese, gekotzt wird vor Nachbars Zelt und die Couch samt Kühlschrank lässt man einfach liegen. Begründet wurden die Zustände ja dann unter anderem mit dem schlechten Wetter.
Ok, also kann ich damit rechnen das, falls der Ferienkommunismus dann mal unser aktuelles System ablöst, bei Regen der Müll einfach liegen bleibt. Rosige Aussichten sind das ;)
Bei paar Tagen Festival und 55.000 Menschen mag diese NullBock&ismirscheissegal Attitüde einiger noch mit viel Enthusiasmus&Fleiss bewältigbar sein. Aber bei vielen? Wie soll das funktionieren? Die die jetzt den Müll der anderen aufgelesen haben werden sich irgendwann auch fragen: wieso mach ich das?? Die hausen wie die Schweine und ich darfs aufsammeln? Na schönen Dank auch, leck mich doch!
Man kann nochsoviel an die Eigenverantwortung appelieren...einige raffens einfach nicht. Und dann werden ganz schnell Sanktionen gefordert(hier im Forum ja auch geschehen) und im nächsten Schritt braucht man jemanden, der die durchsetzt. Beim Festival ist das halt die Fusion-Crew, welche den Ferienkommunismus zusammenhält. Und im Zukünftigen System? Genau, die Polizei(auch wenn die dann dann vielleicht anders heisst ;) )

Und eine Frage am Ende dieses schon viel zu lang gewordenen Beitrags habe ich noch:
Wir leben in einem kapitalistischem System, welches die (seiner Meinung nach falschen) Bedürfnisse der "Kommunismus&Freiraumwollenden" unterdrückt. Angenommen diese Gruppe kann ihr Gesellschaftssystem umsetzen, und die Kapitalismusbefürworter sind nun die Unterlegenen. Wie würde denn die neue Gesellschaft mit dieser Gruppierung verfahren wollen?
Dürfte sie sich frei äussern, und wieder die Rückkehr zum alten System fordern? Oder würde deren Meinung genauso unterdrückt, wie im alten System die eigene?
Niemand hat ein Problem damit, wenn irgendwo hingeschissen wird...solange es nich vor der eigenen Haustüre passiert.
mirror
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Re: Wer wissen will...

Beitrag von mirror »

Ich stell mir immer mal den Übergang von Monarchie (oder was es in den einzelnen Gegenden davor gab) zur Demokratie vor. Chaos, Anarchie, Mord und Todschlag etc wurde vermutet. Was ist inzwischen passiert? Die Spielwiese ist etwas größer geworden. Okay, hat nicht so ganz geklappt. Man kann natürlich auch sagen, erst mit der Zeit, im Tun stellen sich die Irrtümer heraus. Dann geht’s halt weiter. Und wieder kommt da der erhobene Zeigefinger. Das große „Aber“ der Verzagten. Doch es wird weitergehen. Wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen. Der Mangel ist eine unerbittliche Triebkraft.
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funkyjay
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Re: Wer wissen will...

Beitrag von funkyjay »

Naja, also ich. bzw. meine Familie(ich selber habe es 8 Jahre mitbekommen und war ein kleines Kind) durften die Auswirkungen des sozialistischen Systems am eigenen Leib erfahren.
Inkl. Bespitzelung, Ordnerweise Stasiakten, Reiseverboten, Schikanierungen, Jobverlust uswusw. Glaub mir...von einem Systemwechel in diese Richtung ist da jeder geheilt :)
Auch das hier erwähnte & vermeintlich gerechte First-come-first-serve Prinzip konnte da jeder am eigenen Leib erleben, wenn dann mal die wöchentliche Ration Obst&Gemüse im Konsum verteilt wurde. Als Gerecht hat das damals glaub niemand gefunden?! (Wenn man in Berlin gewohnt hat, dann hatte man solche Probleme natürlich nicht so ;) )
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mirror
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Re: Wer wissen will...

Beitrag von mirror »

@funkyjay
Nach der "Französische Revolution" haben bestimmt auch viele so gedacht. Bloß wird leicht die Idee mit deren Ausführung verwechselt.
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Jurist
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Re: Wer wissen will...

Beitrag von Jurist »

2011 hat mich eine Einsicht sehr bewegt: Ich stand - Disclaimer: Keinesfalls fahrtüchtig - vor einem Essensstand in der Schlange und fragte mich, ob es mir in diesem Zustand wohl noch gelingt, eine plausible Zahl für seine Umsatzrendite zu überschlagen.

Vom Ergebnis war ich ziemlich beeindruckt. Dann zog ich den Vergleich zur inhabergeführten 3,50-EUR-Wurstbude auf dem Wochenmarkt meiner beschaulichen Heimat. Und anschliessend noch zu jenem keine-Ahnung-wer-für-DIESE-Konzession-bestochen-wird-6-CHF-Wurststand auf dem Zürcher Hauptbahnhof.

Die Zahlen veränderten sich auch nach Ausnüchterung nicht: Fusion lohnt sich. Gleichzeitig habe ich bisher nirgendwo anders beobachtet, dass angebotenes Essen so kritisch, ja misstrauisch hinterfragt und mit dem Verkäufer diskutiert wurde wie auf der Fusion. Die Leute haben doch nicht etwa Angst, beschissen zu werden?

Auf der Kulturkosmos-Webseite steht, dass die Erkenntnis, dass das Gelände das wichtigste Produktionsmittel der Fusion darstellt, zu seinem Kauf führte. Von 1,5 Mio. EUR ist die Rede. Ohne die staatliche Eigentumsgarantie für diesen Boden wäre der Kauf nicht finanzierbar gewesen, denn keine Bank akzeptiert unsicheres Eigentum als Kreditsicherheit. Aber in welchem realen oder utopischen Sozialismus könnte es eine solche Garantie geben, zusammen mit einem hebelnden Kreditangebot?

Die turbokapitalistische Schweiz hat einen gesetzlichen Mindestlohn für ungelernte Hausangestellte in privaten Haushalten eingeführt. 18 CHF = 15 EUR. Demnach kann ein Ticket entweder 70 EUR kosten, oder aber 30 + Subbotnik = 30 + 6 * 15 = 120 EUR. Ist Arbeit in Lärz etwa weniger wert? Oder ist das Mitmachgefühl so etwas wie eine Ticketzusatzoption, die eben einen Zuschlag kostet? Oder ist der Arbeitseinsatz eine Spende an den Verein - dann hätte ich aber eine ganz besonders faire Lösung für das Ticketproblem anzubieten: Wer nicht arbeitet, darf nicht hin!

Werbefreiheit, andere Musik, andere Themen, alles schön, alles gut, nein: Sogar sehr gut. Aber die Preise an den Klamottenständen haben auch nicht gerade ostdeutsches Pampa-Niveau. Wir sprechen über ein Non-Profit-Wellnesskonzept, welches ohne den Rechtsrahmen einer freien Marktwirtschaft gar nicht existieren könnte, und das einigen Kleinunternehmern blendende Margen ermöglicht. Wie korrekt die verbucht und versteuert werden, möchte ich übrigens gar nicht wissen.

Wo ist der "Gegenentwurf"? Wo der "Kommunismus" im Ferienkommunismus?

Ich glaube, er ist reines Marketing, und wer ihn hier so religiös verteidigt, dass es sogar persönlich wird, der ist auch nicht besser als so mancher Jünger von Apple, Porsche oder Prada.
buki
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Re: Wer wissen will...

Beitrag von buki »

Jurist schrieb folgendes: "Wer nicht arbeitet, darf nicht hin!"

Das fänd ich gut, denn es würde viele Probleme der modernen Fusion beheben. Wer freiwillig (es gibt ja keinen Festivalzwang) mitarbeitet fühlt sich auch mitverantwortlich und hinterlässt weniger/keinen Dreck. Das Gemeinschaftsgefühl wächst.

Reine Partygäste würde es wohl eher abschrecken. Das hieße zwar auch weniger Einnahmen, aber das Klientel würde wohl stimmiger und das Festival wieder gemütlicher.

Der Aufschrei im Forum wäre allerdings immens. :D
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