Resümee - letztes Mal Fusion

Olli11
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Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Olli11 »

Hallo zusammen (: nun möchte ich ebenfalls meine Erfahrungen der diesjährigen Fusion teilen. Ich bin nun seit 2015 auf jeder Fusion, welche stattfand, gewesen. Dieses Jahr war das erste Mal, dass ich mich nicht so wohl gefühlt hatte. Ich denke, einerseits haben die 3 Jahre Spuren hinterlassen und jeder muss erst wieder zu sich selbst finden und erkennen worauf es im wesentlichen ankommt. Dazu gehört Rücksicht aufeinander zu nehmen und die Stimmung gemeinsam zu tragen.
Mir viel häufig auf, dass beim Tanzen sehr viel gerempelt wurde, nur damit jeder möglichst weit nach vorn kommt, um 2 Minuten später die Tanzfläche wieder zu verlassen. Ich hab mich dann teilweise bewusst an Pfeiler gestellt mit den Flaschen unter meinen Füßen, um etwas Sicherheit zu verspüren und mich festhalten zu können damit ich nicht beim Tanzen mit geschlosssenen Augen umgerannt werde. Mit den Handys habe ich es ähnlich wahrgenommen. Es waren viele Handys in den Händen zu sehen, was mir irgendwie störend vorkam. Da dies ja genau jenes ist wovor auch viele diese Woche mal Abstand nehmen möchten. Um jemanden zu kontaktieren oder ein Bild festzuhalten spricht ja nichts dagegen. Nur sind die nachkommenden Generationen so abhängig, dass die meisten das Handy nicht beiseite legen können um die Eindrücke aufzunehmen und in Erinnerungen im Kopf zu halten. Die Liebe der Menschen war auch eher privatisiert und nicht für alle .. ich habe die Jahre zuvor viel mehr zwischenmenschlich wahrgenommen und erfahren. Dieses Jahr war es etwas kühler mit der Stimmung und es wurde wenig Liebe geteilt und gegeben. Tut auch gut zu lesen, dass ich die Fusion nicht allein so empfand (: ✨
Da ich dieses Festival einfach sehr liebe, fällt es mir schwer die Fusion einfach so abzuschreiben. Ich bin Optimist und glaube an die nächste Fusion. Ich möchte bereits verstanden und gelerntes an die nachkommenden weitergeben, damit dieses Festival so schön bleibt wie wir es in unseren Erinnerungen tragen. Love ❤️
Conchologist
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Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Conchologist »

Hallo zusammen - und hochinteressant, was hier diskutiert wird.

Für mich war es mein erstes Mal Fusion. Eigentlich waren wir zu zweit, aber meine Begleitung musste kurzfristig absagen. Kurz bevor ich in den Bassliner stieg, war ich dann doch alleine und kann nicht leugnen, dass ich eine gehörige Portion Respekt hatte vor diesem Festival mit 70.000 Menschen, von dem ich schon so viel gehört hatte und um den sich fast schon ein Mythos aufgebaut hatte.

Aber was soll ich sagen? Ich bin hin und weg!! Fragt mal mein Umfeld, was ich denen seit Tagen die Ohren vollquatsche von wegen "noch nie erlebt sowas", "Erweckungserlebnis" und solche Sachen.

Gleich vorweg: Aufgrund einer Meidkation kann ich keine synthetischen Drogen nehmen, Alkohol geht auch nur in ganz überschaubaren Maßen und THC führt mittlerweile bei mir zu Paranoia. Lange Rede, kurzer Sinn, ich war eigentlich fast komplett nüchtern, zumindest drogenbedingt nie "richtig drauf". Daran liegts also nicht.

Ich fand es unfassbar, wie ich in 5 Tagen nie auch nur EIN böses Wort gehört hab. In keiner Schlange, an keinem Schei**haus, nicht auf dem Dancefloor, nirgends. Für mich schienen alle in einem gemeinsamen Flow, wo jede/r freundlich und hilfsbereit zueinander war, freundlich gefragt und bedankt hat, bevor er/sie sich dazu gesetzt hat, beim Auf-die-Füße-Treten sich entschuldigt hat (und wenn es nur mit einem kurzen Schulterblick und Handheben war) usw.
Selbst wenn sich mal verballerte Leute aus versehen auf der falschen Seite angestellt und dadurch schneller am Kaffeestand waren als andere, hat keiner gemeckert und ich dachte mir, geil Alter, wie wenig Alman-Style geht eigentlich noch, ich fass es nicht vor Freude. :)
Eins meiner Highlights war am Samstagnachmittag, wo ich in dem Baumhaus hinterm Theater saß. Neben mir saßen zwei weiblich gelesene Personen, die in aller Ruhe und intensiv über ihre Beziehungen diskutiert haben, gegenüber hat eine Gruppe neu erworbene Handfächer bemalt, gegenüber haben zwei nach gewissem Konsum entspannt gedöst und rechts von mir saßen welche und haben den Raveplan für den frühen Abend ausgetüftelt. Ich saß mittendrin und las mit Kaffe&Kippe meine Fantasygeschichten, die ich zuvor bei einer netten Flohmarktverkäuferin auf der Insel gekauft hatte, die mir noch ein halbstündiges Referat zu dem Buch gratis dazugegeben hat :P. Gleichzeitig stieg einem der sanfte Duft des Kartoffelstampfs mit Zwiebeln in die Nase, der ein Stockwerk weiter unten gerade vorbereitet wurde. Irgendwie war jeder für sich und doch alle gemeinsam und vor allem ging niemand jemand anderem auf den Zeiger. Das war schon nicht mehr so wahnsinnig weit weg von der Definition von "Glück". :)

Oder im FKK-Bereich. Da bin ich Freitags vor dem Regen zum ersten Mal noch hin und war wirklich hin und weg, was für ein schönes Gelände das war, wie super der Kiosk und wie nett die Menschen dort überall. Ich (cis-Mann) bin eigentlich eher "g'schamig" was so gemeinsame Nackisachen angeht, aber in kürzester Zeit habe ich gemerkt, dass das hier völlig ok ist, dass keine/r niemanden anstarrt, dass jede/r so ist wie er/sie ist, dass hier überhaupt nix in der Luft liegt, außer der Lust an Freiheitsgefühl und Tanz. Also habe ich mitgemacht und mich super sicher gefühlt und einfach nur das Freiheitsgefühl genossen. Für mich war das wirklich ein safe space mit viel awareness, denn wenig überraschend wäre es auch mir als cis-Mann nicht angenehm gewesen, jenseits der Standardkommunikation irgendwie auf Blicke oÄ hätte reagieren zu müssen.

Noch ein Wort zu den Floors nachts: Ich hatte auf jeden Fall das Gefühl eines gemeinsamen Raves. Ganz manchmal hab ich nach rechts und links geschaut und gemerkt, wie alle um mich rum am Tanzen sind, jeder für sich und alle gemeinsam - so fühlte es sich für mich schon an.
Ich habe nach Studium des Threads jedoch ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil ich insbesonder Sa nachts auf dem Trancefloor mich phasenweise heftig vergessen hatte und in der Tat in einen tranceartigen Zustand kam. Jetzt hoffe ich, da niemandem auf den Wecker getanzt zu haben sozusagen :D Angerempelt habe ich niemanden und wenn doch, immer entschuldigt. Aber wenn ich das so lese, frage ich mich, ob ich nicht vielleicht zu heftig geraved habe oder sonstwie was. :| Auch habe ich mir natürlich immer mal ein freies Plätzchen in der Mitte der Tanzfläche gesucht, ohne Leute wegzuboxen (das geht schon allein aufgrund meiner Statur garnicht). Was tun? :?: Vielleicht wäre ja eine Dancefloor-Etikette wirklich keine schlechte Idee.

Trotzdem war die Fusion für mich eine absolut wunderbare und wunderschöne Erfahrung, die die Akkus aufgeladen hat und mich noch lange beschäftigen wird. Der Satz "Make Love, not War" ist ja bisweilen eine Floskel geworden, aber so blöd es klingt, auf der Fusion hatte ich zum Ersten Mal das Gefühl, dass es genau so ist und alle gemeinsam fröhlich und positiv gestimmt sind, gut miteinander umgehen und eben ein besonderer "Vibe" entsteht und man so den ganzen Aggro-Scheissdreck, der einen im Alltag und in den Nachrichten ständig begleitet, mal für einen Moment vergessen kann. Haltet durch und ich hoffe, wir sehen uns gut gelaunt alle wieder 2022 im schönen Lärz. 8-)

Die Aspekte zur politischen Haltung des Festivals und zu Inklusion sind sicherlich berechtigt und die Tatsache, dass sich die "Utopie" irgendwie nur die leisten können, die sie sich eben leisten können, empfinde ich auch als Wehrmutstropfen. Wichtige Diskussion, die aber mAn eine andere ist als die nach dem Umgang miteinander.



Ohje, wollte eigentlich nur 3 Sätze schreiben, naja...
Freundin_der_Sonne
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Registriert: Mi 11. Jul 2012, 18:23

Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Freundin_der_Sonne »

Olli11 hat geschrieben: Di 12. Jul 2022, 11:25 ich habe die Jahre zuvor viel mehr zwischenmenschlich wahrgenommen und erfahren. Dieses Jahr war es etwas kühler mit der Stimmung und es wurde wenig Liebe geteilt und gegeben. Tut auch gut zu lesen, dass ich die Fusion nicht allein so empfand (: ✨
Das ging mir auch so. Das Zwischenmenschliche ist mir dieses Jahr irgendwie auch etwas zu kurz gekommen und ich habe es dann auf die vergangenen Corona Jahre geschoben, die etwas verändert haben und auch auf neues/jüngeres Publikum, die vielleicht einfach nicht so im Fusion vibe angekommen waren :) Was diese ganze Handysache angeht, fand ich es auch irgendwie störend, dass man sehr oft ein hochgehaltenes Handy vor der Nase hatte, mit den Armen sogar weggedrängt wurde, damit das Video noch cooler wird. Ziemlich schockiert war ich von einigen jüngeren Menschen, die auf den Floors saßen und u.a. Candy Crush gespielt haben :shock: Schade, dass sie keine andere Beschäftigung auf der Fusion gefunden haben :lol:
Rübli
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Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Rübli »

Kolibriiiii hat geschrieben: Mo 4. Jul 2022, 17:32 Ich muss mich leider dem TE anschließen und bin ebenfalls von der diesjährigen Fusion sehr enttäuscht. Meiner Begleiterin geht es gleichsam und wir überlegen auch beide, nächstes Jahr nicht mehr an der Verlosung teilzunehmen.

Mein Hauptproblem war vor allem, dass man trotz 40 Floors nirgendwo in Ruhe tanzen konnte. Ich wurde alle zwei Minuten angerempelt, meist von Gruppen, die schnell in die Mitte eines Floors gerannt sind, nur um dann kurze Zeit später und teilweise auch nach einem Gruppenselfie wieder rauszutorkeln. Überall wurde laut geredet, so dass ein komplettes Einlassen auf die Musik für mich nicht möglich war.

Wir haben versucht, das durch die Umgehung von Stoßzeiten wie beispielsweise Freitag 22-2 Uhr und Ausloten aller möglichen Platzierungen auf den Floors zu umgehen. Doch egal zu welcher Uhrzeit und wo auf dem Floor, dem Anrempeln, dummen Anlabern ("Ey, hast du das alles ausgetrunken, Respekt hihihi" neben einem Glashaufen) und ständigen Gerede war nicht auszuweichen. Ich tanze meist mit geschlossenen Augen, schade, dass das als Zeichen nicht gestört zu wollen nicht ausreicht.

Meine Begleiterin hat an der Turmbühne zweimal einen Ellenbogen abbekommen - und das, obwohl wir uns extra im äußeren Ring, einige Meter von den nächsten Menschen weg, positioniert haben. Da gabs auch kein sorry, da die Person das entweder nicht bemerkt hat oder es ihr scheißegal war.

Ich fand es erschreckend, wie viele Menschen unachtsam gegenüber ihren Mitmenschen sind. Viele wirkten so, als hätten sie sich so stark weggeballert, dass sie einfach nichts mehr um sich herum mitbekommen.

Vermutlich ist dieser Fraktion nicht bewusst, dass sie das Festival damit anderen Menschen verleidet und für ein unsicheres Gefühl sorgt. Auf mich wirkt die diesjährige Fusion stark gentrifiziert. Das Motto „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“ tritt immer stärker in den Hintergrund und der persönliche Egoismus der gefühlt dominierenden Koks-plus-Alkohol-Fraktion in ach so witzigen Outfits in den Vordergrund.

Auch sichtbar an so Kommentaren wie, dass die breite Masse sich nicht an freien Nippeln stört bei gleichzeitigem Gerede von Diversity. Sorry, aber du hast es leider nicht verstanden und nimmst billigend in Kauf, dass die Gruppierung, die sich an freien Nippeln stört, durch deinen Verhaltensvorschlag einfach komplett verdrängt wird.

So mutiert die Fusion zur Airbeat One (siehe auch der Dj, welcher die Menge am Trancefloor zwischen den Tracks zum Applaudieren aufgefordert hat, was war da eigentlich los...) oder dem nächstbesten Dorffest. Sehr schade, insbesondere, da einige Dekos und Anlagen wunderschön und fett waren.

Die Fusion-Gentrifizierung ist vermutlich auch der starken PR 2019 geschuldet. Ich sehe keine Lösung für das Problem, da es - anders als in guten Clubs - keine Tür gibt. Aber an dieser Stelle wollte ich das zumindest mal loswerden.
Word. Und so werde ich mit meiner Crew auf die Suche nach einem kleineren Festival gehen...
RoofDamage
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Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von RoofDamage »

Eine gute Party hat also eine harte Tür. Soso
Aal
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Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von Aal »

Techmac hat geschrieben: Di 12. Jul 2022, 10:08
Gefühlt gab es diesmal für mich nicht so viele "Kleinkunst" zwischen den Bühnen. also damit meine ich zb Installationen, abgespacete Gefährte oder Artisten. kann aber auch sein das mir das alles nicht so krass wie sonst aufgefallen ist.

Ich habe das auch so wahrgenommen. Andererseits: war ja auch gar kein Platz mehrfür walking Acts oder Paraden etc :lol: :roll:
maze23
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Re: Resümee - letztes Mal Fusion

Beitrag von maze23 »

Auch sichtbar an so Kommentaren wie, dass die breite Masse sich nicht an freien Nippeln stört bei gleichzeitigem Gerede von Diversity. Sorry, aber du hast es leider nicht verstanden und nimmst billigend in Kauf, dass die Gruppierung, die sich an freien Nippeln stört, durch deinen Verhaltensvorschlag einfach komplett verdrängt wird.
Hmm.. Eventuell hast DU es nicht verstanden? Bei Diversität geht es auch und insbesondere um Toleranz. Die du bei diesem Thema nicht zu haben scheinst. Wenn die Gruppierung an dieser Stelle tolerant wäre, könnten alle miteinander auskommen.
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