Hier mal der besagte Abschnitt aus dem Groove-Magazin:
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Boys’s Club
Konstantin scheint der visionäre Kopf der Gruppe zu sein, auch wenn er diese Zuschreibung ablehnt. Der kollektive Gedanke, nach dem sich alle Mitglieder gleichberechtigt einbringen, steht für ihn im Vordergrund. Deshalb findet er es auch besonders wichtig, dass
Giegling in der Presse geschlossen mit einer Stimme spricht, ohne einzelne Individuen herauszustellen. Dass dies problematisch wird, sobald Einzelstimmen mit der im Kollektiv vorherrschenden Meinung kollidieren, wird spätestens am nächsten Tag deutlich.
Ich treffe Konstantin am darauffolgenden Morgen in der Bahn auf dem Weg zum Konzert nach Leipzig wieder. Über eine belanglose Anekdote entspinnt sich eine ziemlich unerwartete Diskussion über Feminismus im Allgemeinen und explizit über Frauen in der elektronischen Musikszene. Wie bei vielen Labels an der Spitze ist auch bei
Giegling der Anteil beteiligter Frauen verschwindend gering, die meisten agieren wenn überhaupt im Hintergrund. Nach außen hin repräsentiert das Label das, was in feministischen Kreisen als Boys’s Club bezeichnet wird – eine homogene, männerdominierte Gruppe, die undurchlässig für Frauen erscheint. Statt sich jedoch, wie man es aus den tendenziell eher linken Räumen der Technoszene erwarten würde, für mehr Gleichberechtigung der Geschlechter an den Decks und die Unterstützung weiblicher und nicht binärer DJs auszusprechen, äußert sich Konstantin in diesem Punkt unerwartet heftig. Er empfände es als ungerecht, dass weibliche DJs zurzeit so sehr gefördert würden, obwohl sie seiner Meinung nach meist schlechter auflegten als Männer. Seiner Logik zufolge sei es demnach für Frauen wesentlich einfacher, als DJ erfolgreich zu werden, da die wenigen Frauen, die sich für das Auflegen interessierten, unverhältnismäßig gepusht würden.
Dass genau solche Initiativen aufgrund von institutionalisierter, struktureller und vor allem versteckter Diskriminierung für einen gesellschaftlichen Wandel dringend notwendig sind, scheint für Konstantin kein Argument. Stattdessen begründete er seinen Standpunkt mit pseudowissenschaftlichen Belegen für ein „natürliches“ Machtstreben und Geltungsbedürfnis, das dem Mann von Natur aus inhärent sei. Folglich würden Frauen, die eine Karriere in dem von Männern dominierten DJ-Business anstrebten, ihre „weiblichen Qualitäten“ verlieren und zusehends „vermännlichen“.
Ich suche daraufhin das Gespräch mit Dustin und der bildenden Künstlerin Frauke. Sie ist eine der wenigen Frauen, die als Teil des Kollektivs auch auf der Tour mit dabei war. Beide versichern mir, dass dies im Kollektiv eine explizite, wenn auch nicht unbekannte, Einzelmeinung sei. Diese habe nichts mit den Ansichten der restlichen Labelmitglieder zu tun, die sich geschlossen davon distanzierten. „In einem Kollektiv macht natürlich jeder auch noch sein eigenes Ding und geht seinen eigenen Weg. Grundsätzlich ist Sexismus aber kein Thema in der Gruppe. Wir haben gerade seit der Tour alle ein familiäres Verhältnis. Ich habe keine Geschwister, aber ich denke, so fühlt sich das an – man liebt sich und man streitet sich eben auch über gewisse Dinge“, beschreibt Frauke das Verhältnis untereinander."
Link:
https://groove.de/2017/06/22/giegling-gelebte-utopie/