Eine aufschlussreiche und natürlich absolut unvollständige Übersicht über das, was ein nationaler Fußballwettstreit hierzulande so mit sich bringt, findet sich hier:
http://linksunten.indymedia.org/node/22640
Die Freunde "unserer" Nationalelf werden solcherlei Aktionen natürlich von sich weisen und die Unterscheidung zwischen ihrem "freundlichen Nationalismus/Patriotismus" und deren "Nazitum" aufmachen.
Aus inhaltlicher Sicht ist die aber schwer zu halten: Schlussendlich handelt es sich bei beiderlei Ideologie um die Parteinahme für die deutsche Nation und die gesellschaftlichen Verhältnisse, insbesondere ökonomischer Art, die dieser Staat zum Nachteil seiner Bevölkerung einrichtet und betreut.
Nationalismus ist der ideologische Kitt, der diesen Laden zusammen hält und den Leuten das Angebot macht, bei allem Verzicht an Lebenskomfort, den der Kapitalismus ihnen aufnötigt, zumindest als Deutscher etwas wert zu sein, etwas zum Stolz sein zu haben.
Werfen wir doch nochmal einen Blick auf die Empirie, diesmal in quantifizierter Form:
http://www.uni-marburg.de/aktuelles/new ... 1213studie
Das aufschlussreiche Diagramm auf der rechten Seite findet sich in leserlicher Form hier auf S.14:
http://www.uni-bielefeld.de/ikg/gmf/pdf ... e_2006.pdf
Zusammenfassend: Nach der Fußball WM 2006 (Man erinnere sich an die lärmenden Autokorsos voller besoffener und bemalter Prolls) ist der Stolz darauf, Deutscher zu sein, von einem beängstigenden Niveau auf ein noch höheres geklettert, ebenso der Stolz auf die deutsche Geschichte (Ähm ja..).
Lustigerweise liegt der Stolz auf die soziale Sicherheit bzw. die Demokratie in Deutschland weit unter diesem Niveau - Was eventuell die Frage aufkommen ließe, worauf diese Leute denn bitte stolz sind, wenn nicht darauf, was diese Nation ihnen an Lebenssicherheit und Partizipationsmöglichkeiten bietet? Na ja, weil es mit beiderlei nun mal nicht besonders weit her ist, muss wohl eher das diffuse Deutschtum als Grund des Stolzes herhalten.
Schaut man sich die Entwicklung an, kann man erkennen, dass mit dem steigenden Nationalismus gleichzeitig der Stolz auf soz. Sicherheit+Partizipation abgenommen hat - Bedeutet: Obwohl die Deutschen wohl selbst aus subjektiver Sicht immer weniger Gründe finden, das Projekt des deutschen Nationalstaats toll zu finden, sind sie im Verlauf der WM trotzdem überzeugtere Anhänger dieser Nation geworden.
Drei Anmerkungen:
1.) Wer meint, eine Trennung zwischen "deutscher Nation" und "deutschem Staat bzw. den deutschen ökonomische Verhältnissen" aufmachen zu können, sollte mal ein Geschichtsbuch in die Hand nehmen. Da werdet ihr erkennen, dass der deutsche Nationalstaat schon rein historisch ein Projekt der herrschenden Eliten gewesen ist, um geeignete Verhältnisse für die (industriell-kapitalistische statt wie bisher feudale) Ausbeutung der dort ansässigen Volksmassen zu schaffen. Das umfasste einerseits die Strategie, die Leute so vor Nationalstolz besoffen zu machen dass sie nicht zu aufmüpfigen Kommunisten oder Sozialdemokraten werden (die hinterher noch die lebensverhältnisse verbessern wollen), als auch bspw. Zollschranken zwischen den zuvor autonomen - und sich öfters auch mal bis zum Tode bekriegenden
- deutschen Fürstentümer abzuschaffen.
Auch heute ist eine Trennung von "deutscher Nation" und "deutschem Staat bzw. den deutschen ökonomische Verhältnissen" natürlich Unsinn. Würden letztere Verschwinden, würde einfach ein Haufen an Menschen übrig bleiben, der zwar über eine gemeinsame Sprache verfügt* (Wenn Bayrisch deutsch sein soll), der aber ansonsten kulturell so heterogen ist, dass die meisten Leute sich sowieso nicht leiden können. Was hat ein linker junger Berliner der aufs Fusion fährt mit nem reaktionären bayrischen CDU-Opa gemein, der aufs Oktoberfest tuckert? Eben, so gut wie gar nix - Außer das beide deutsch sind.
*das ist natürlich auch ein Produkt staatlicher Politik - Vor ein paar Hundert Jahren lebten auf dem Territorium das man heute Deutschland nennt Menschen mit den unterschiedlichsten Sprachen und Dialekten - Deutsch im heutigen Sinne hat da niemand(!) gesprochen. Die empfanden sich natürlich auch nicht als „Deutsche“ - Und haben sich, wie oben beschrieben, gerne mal bekriegt, auf Geheiß ihrer wertvollen Fürsten, Könige usw. → Wikipedia
2.) Natürlich wird sich der ein oder andere sich dadurch rausreißen können, dass es ihm um den Fußball geht - also das rein sportliche Event. Da ist natürlich nix gegen einzuwenden
Aber die meisten sollten sich mal fragen, ob das nicht nur ein Teil der Wahrheit ist
.
Ich guck auch gern mal Fußball
3.) Dann gibts natürlich auch noch die Aussage: "Nur weil ich unsere Jungs anfeuere, finde ich hier doch nicht unbedingt alles dufte". Das stimmt natürlich. Trotzdem ist der Zusammenhang zwischen einer affektiven Bindung an so was wie die "Nationalelf" und der grundlegenden Akzeptanz, das es so was wie Deutschland gibt, nicht von der Hand zu weisen meiner Meinung nach
. Andersrum könnte man formulieren: Wer verstanden hat, warum der deutsche Staat ihm nix nützt, sondern lediglich die Rahmenbedingungen seiner Ausbeutung aufrecht erhält (ihn also um ein schönes Leben ohne viel Arbeit und Stress betrügt) - Der findet auch an der Nationalelf nix zu feiern.
Noch ne Empfehlung zum Thema
http://doku.argudiss.de/?Kategorie=all#171
Ach, und warum Deutschland scheiße ist (Manche habens ja noch nicht kapiert
), da finden sich auf derselben Seite noch andere Vorträge, die das ziemlich leicht und verständlich erklären (bspw. der Vortrag "Arbeit und Reichtum"). Ist zumindest ein Einstieg, danach liefert das Internet unter den Stichwörtern "Kritik der politischen Ökonomie" oder "Kommunismus" noch ne Menge interessante Sachen.
Cu @ fusion, ich hoffe die deutschen fliegen möglichst schnell raus höhö
Dann dürfen sich zwar ein paar andere Nationalisten freuen, aber ich muss mich zumindest nicht durch Jubelrufe o.ä. ständig daran erinnern lassen, dass der fusionsche Ferienkommunismus und das heitere Beisammensein ohne Grenzen doch nur ein paar Tage andauert und es danach ins triste Leben zurückgeht.
Wer sowas wie die Fusiondepression am Sonntag kennt, der sollte sich mal fragen, ob das nicht nur mit dem Ende der Party, sondern auch mit dem Ort zu tun hat, in den man zurückkehren muss. Und dieser Ort ist die kapitalistische BRD.
Sorry, dass der Text solang geworden ist, liest eh kein Schwein wa