EM Finale

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partymagnet
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Re: EM Finale

Beitrag von partymagnet »

NathanaelDK hat geschrieben:Wie es nervt, dass einem Patriotismus und Nationalismus unterstellt wird, weil man die deutsche Nationalmannschaft unterstützt. Ein Fußballteam anzufeuern ist sowieso absurd und dass das für einige (mich eingeschlossen) absolut gar nichts mit Vaterlandsliebe zu tun hat, macht es nicht weniger absurd. Warum mach ich es? Weil es Spaß macht. Hat wahrscheinlich was mit Gruppenidentifikation zu tun (NICHT unbedingt nationaler Art).
Wie man an der oben von mir verlinkten Statistik ablesen kann, sind ein Großteil der Deutschen Nationalisten - Wenn wir mal vereinfachend davon ausgehen, dass man das anhand einer einzelnen Frage "nach dem Stolz darauf, deutsch zu sein" ablesen kann (Wenn wir wirklich wissenschaftlich vorgehen wollen würden, müssten wir da natürlich ein paar mehr Indikatoren benutzen).

Wir brauchen erstmal eine vernünftige Definition von Nationalismus: Nationalist ist jemand, der der Aufteilung der Welt in kapitalistische Nationalstaaten positiv gegenübersteht und das Projekt des spezifischen Nationalstaats, der Herrschaft über ihn ausübt, insbesonders akzeptiert und gutheißt. Wie man merken sollte, trifft diese Definition nicht nur auf Nazis zu, sondern auf die absolute Mehrheit. Du kannst jetzt natürlich sagen: So will ich Nationalismus nicht definiert haben, sondern das soll was mit Ausländerverprügelei zu tun haben. Kannst du gerne machen, aber meine Aussagen sind eben auf die obige Definition gemünzt.

Ich würde auch keinem unterstellen, dass selbst wenn er Nationalist ist, er unbedingt was gegen Ausländer haben muss. Rein empirisch gesehen sind Leute mit ausgeprägterem Nationalismus (also einer noch stärkeren Zuneigung zu ihrem Nationalstaat) aber auch zugleich rassistischer - Entsprechende Belege findest du überall im Netz und bspw. in der Studie, die ich oben verlinkt habe. Zahlen lügen nicht.

Mein Argument läuft ja jetzt aber gar nicht darauf hinaus, dass Nationalisten eher Rassisten sind und man das deshalb doof finden soll, obwohl selbst das schon rational und moralisch zu rechtfertigen wäre.

Sondern das Argument geht so: Leute, die Nationalisten (im obigen Sinne) sind, begehen einen Fehler dahingehend, dass sie durch ihre Parteinahme für den deutschen Staat eben auch die gesellschaftlichen Verhältnisse, die dieser einrichtet, abnicken.
Und das bekommt ihnen nicht gut, weil der Zweck des so eingerichteten kapitalistischen Wirtschaftssystems einzig darin besteht, durch die immer stärkere Ausbeutung der Lohnarbeiter den privat von den Kapitalisten angeeigneten, obwohl gesellschaftlich produzierten, Reichtum wachsen zu lassen.

Das äußert sich dahingehend,

1. dass die Reallöhne stagnieren, während die Produktivität in unglaublichem Ausmaße steigt

2. dass es mehr Stress auf der Arbeit gibt (-> mehr Depressionen)

[....]

999. dass Atomkraftwerke gebaut werden, die uns alle ins Grab befördern könnten

1000. Das wir allgemein nicht ohne Stress und despotische Vorgesetzte bei maximal 10 Wochenarbeitsstunden zusammenleben, also keine paradiesischen Zustände genießen können, sondern nur einmal im Jahr unsere Auszeit auf dem fusion nehmen können.


Jetzt ist natürlich die Frage: Wie hängt der Nationalismus mit dem nationalen Fußballsport zusammen. Natürlich auf vielfältige Weise, was sich hier gar nicht alles ansprechen lässt:

bspw:

1. Nationale Fußballevents stärken den Nationalismus (siehe die Studie oben). Dadurch werden die Leute unkritischer, die ihnen von Staat und Kapital zugemuteten Umstände zu hinterfragen (siehe die Studie und meine Ausführungen/Hinweise dazu im vorrangegegangegen Posting von mir. Freq hat das ja auch schon angesprochen.)

2. Das Zusammengehörigkeitsgefühl, dass solche Sportevents erzeugen, kaschiert die realen Antagonismen zwischen den geselleschaftlichen Akteuren: Beim Endspiel stehen alle als Deutsche zusammen, du und das Drecksschwein, für das du arbeitest. Das vermittelt den Leuten den falschen Eindruck, es gäbe soetwas wie ein nationales Gemeinwesen, dass gemeinsame und allen zuträgliche Zwecke verfolgen kann. Das ist aber nicht der Fall: Es gibt die Leute, die immer mehr malochen müssen für weniger Kohle und diejenigen, die von deren Arbeit ein Luxusleben führen. Ähnlich wie ein Bundespräsident führt das nationale Fußballevent dazu, das die Leute diese grundlegende Differenz nicht erkennen.

3. Das Auswahlverfahren bezüglich der Mannschaft, deren farben man sich in die fresse schmiert, ist Nationalismus pur: Es kommt bspw. Kein Stück darauf an, ob die man mit den Spielern einer Mannschaft privat klarkäme, sondern: Deutsche sind für Deutschland, Holländer für Holland.

Wer wissen will, wie wirkungsmächtig diese Idee ist, soll mal die Fahne der Mannschaft schwenken, gegen die Deutschland grade spielt oder noch schlimmer: verloren hat. Und die Reaktionen der Fans am eigenen leibe spüren.


4.
[...]
X.

!!! Natürlich !!!:

Es gibt auch Prozesse, die zur Parteinahme für die deutsche Mannschaft führen, die sich nicht vollständig auf den Nationalismus zurückführen lassen.

Wie du schon sagst zum Beispiel: Mit seinen Kumpels rumzuhängen und zu saufen macht nunmal Spaß. Und Spaß ist ja auch ok!

Trotzdem ist das meiner Meinung nach notwendigerweise mit dem Nationalismus verschränkt (Auch wenn es da vielleicht ein paar hundert Leute gibt, bei denen es anders ist!!!): Ob Deutsche jetzt Spanien-Portugal oder Deutschland-Frankreich anschauen, ist aus deren subjektiver Sicht ja schon was grundlegend anderes: Bei letzterem matchup sind alle traurig, wenn verloren wird oder alle drehen durch, wenn gewonnen wurde. Das lässt sich meiner Erachtens nach nur erklären, wenn man den Nationalismus dieser leute mit in die Erklärung miteinbezieht. Auch wenn da sjetzt nicht für dich gilt, sind wir uns doch wohl einig, dass das stimmt, wenn man über den Durchschnitt spricht :)

/Edit: Der Übersicht halber hier nochmal der Link zu meinem ersten Posting, damit man auch sieht, worauf NathanaelDK sich bezieht.

Falls jemand mehr lesen will, würde ich ihm/ihr die Texte der jungen Linken zu Nationalismus und Kapital/Lohnarbeit vorschlagen, hier insb. vllt. den Artikel zur Einführung in die Kapitalismuskritik.
Wer lieber zuhört als liest, findet in dem verlinkten Posting von mir eine Reihe von Vorträgen, die viel interessantes zu sagen haben.
Wers sogar am liebsten audiovisuell hätte, dem sei dieser englischsprachige youtube channel empfohlen, insb. die law of value Reihe, zur EInführung in die Kritik der politischen Ökonomie. Jetzt hab ich aber genug Propaganda für heute betrieben :D
Zuletzt geändert von partymagnet am So 25. Mär 2012, 15:22, insgesamt 1-mal geändert.
Hermann, die Elfe
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Re: EM Finale

Beitrag von Hermann, die Elfe »

Jaja, der *wirkliche wahre* Fusionspirit ist natürlich, die Argumente aus anderen Postings einfach zu ignorieren, und u.a. Leuten, die sich (anscheinend ;) ) viel Mühe gegeben haben, sachlich die Argumente für ihre Position zusammenzustellen, Stumpfheit und Nerverei vorzuwerfen... :roll:

Und ein liebes Dankeschön an partymagnet für einen wundervollen Post (den ich ganz und mit Begeisterung gelesen habe ;) ).
NathanaelDK
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Re: EM Finale

Beitrag von NathanaelDK »

partymagnet hat geschrieben:Jetzt ist natürlich die Frage: Wie hängt der Nationalismus mit dem nationalen Fußballsport zusammen. Natürlich auf vielfältige Weise, was sich hier gar nicht alles ansprechen lässt:
Nationalgefühle in Verbindung mit Systemakzeptanz schön und gut (auch wenn ich nicht mit deiner ganzen Argumentation übereinstimme), aber ich glaube du unterschätzt die Anzahl derer, die Fußballfans sind, ohne national-antagonistisch zu denken. Ich bin auch Fan eines Fußballclubs, aber wohl kaum aus Nationalstolz, sondern aus reiner Identifikation mit einer Gruppe und Spaß am Wettbewerb mit anderen. Dasselbe gilt in meinem Fall für die deutsche Nationalmannschaft. Auch Rivalitäten wie z.B. mit den Holländern sind für mich eine Freude.

All dies nehme ich aber überhaupt nicht ernst, alles andere wäre absurd. Da ich z.B. aus Flensburg komm, ist meine Identifikation mit einem Club aus Hamburg nicht überraschend und hat was mit geographischer Nähe zu tun. Ähnlich ist es mit dem deutschen Nationalteam, nur dass es hier kulturelle Nähe ist. Dass ich andere Teams favorisieren würde, wäre ich nur 5 Kilometer weiter nördlich (in Dänemark) aufgewachsen, ist mir klar. Aus dem Grund wäre es absurd, solcherlei Identifikation ernstzunehmen, denn sie ist absichtlich eingebildet, dem Spaß wegen.

Es stimmt sicherlich, dass viele Fans überhaupt nicht den Überblick haben, die Rivalitäten und den Nationalismus internalisiert haben und jetzt auf ein Schlachtfeld ziehen, wenn sie Fußball schauen. Gleichzeitig geht es aber einer bedeutenden Anzahl Fans wie mir. Viele meiner linksorientierten Freunde sind Fans und jemand wie ich, der politisch absolut anti-national eingestellt ist, ist auch recht leidenschaftlicher Fan.

Ich kann irgendwo verstehen, dass nationaler Fußball ungern gesehen wird auf der Fusion, aber es lohnt sich ja nun nicht, dagegen so anzugehen. Fußball wird trotzdem geschaut und solange es auf dem Campingplatz passiert, stört mich das nicht besonders. Außerdem denke ich, dass Fans, die die Fusion besuchen, eher zu der Gruppe Fans gehören, die eben nicht Nationalismus internalisiert haben und das Fan-Dasein als das ansehen, was es ist: Spaß.
NathanaelDK
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Re: EM Finale

Beitrag von NathanaelDK »

Außerdem sollte man dann vielleicht mal hinterfragen, warum einen die ganzen St. Pauli-Aufkleber überall auf dem Gelände nicht stören. Vielleicht, weil man sich eben doch selbst auch mit einer gleichgesinnten Gruppe identifiziert?
partymagnet
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Re: EM Finale

Beitrag von partymagnet »

NathanaelDK hat geschrieben: All dies nehme ich aber überhaupt nicht ernst, alles andere wäre absurd. Da ich z.B. aus Flensburg komm, ist meine Identifikation mit einem Club aus Hamburg nicht überraschend und hat was mit geographischer Nähe zu tun. Ähnlich ist es mit dem deutschen Nationalteam, nur dass es hier kulturelle Nähe ist.
Na ja, welche kulturelle Nähe haben wir beide schon mit millionenschweren Fußballprofis :)? Die ist, wie du ja auch sagst, bloße Einbildung. Eine Einbildung, die für den absoluten Großteil der Menschen aber alles andere als eine individuelle Wahl zur Spaßmaximierung ist.

Nein, die meisten Leute sind Fans eben der Nationalmannschaft, die gesellschaftlich als die ihnen gemäße konstruiert wird (in einem andauernden Prozess gesellschaftlicher Praxis, an dem unterschiedliche Akteure wie wie beispielsweise die Medien, der DFB und die Stammtische beteiligt sind), ohne dass sie da selber bewusst Nutzenkalküle zu verfolgen.

Wenn es nur um Spaßmaximierung gehen würde, wäre es beispielsweise rational, die Mannschaft, die das aufregendste Spiel bietet oder die, die am häufigsten gewinnt, als Favoriten zu wählen. Oder die mit den geilsten Körpern. Wenns um kulturelle Nähe gehen würde, müsste man wohl erst mal wenigstens ein Telefongespräch mit denen führen. Das wären dann ne Menge Gespräche :D.

Stattdessen sind die meisten Leute doch komplett ohne bewusste Hintergedanken Fans der deutschen Mannschaft, ohne das zu planen, sondern spontan, eben aus ihrer Sicht von sich selbst als Deutsche heraus. Fällt man aus diesem Muster und fiebert zum Beispiel mit den Holländern mit, bekommt man dementsprechend voll Unverständnis an den Kopf geworfen: "Aber du bist doch Deutscher!"

Natürlich gehts denen trotzdem um Spaß, was man zum Beispiel daran sieht, dass nur solche Sportarten wirklich von nationalem Interesse beglückt werden, in der die jeweilige Nationalmannschaft besonders gute Erfolge in der Konkurrenz aufweisen kann.
Dazu verweise ich nur mal auf die Formel 1 und Tennis Einschaltquoten, seitdem Schumacher (lol grad gesehn das der noch fährt.. aber der war ja ma raus und formel 1 dann ziemlich out), Boris Becker und Steffi Graf von gestern sind. Oder auf den plötzlichen Hype um Handball, als "die Deutschen" da plötzlich oben mitgemischt haben. Der Sport ist für die Menschen ein bloßes Vehikel um Glückshormone abzugreifen, die vor allem ausgeschüttet werden, weil sie die Sportler als Identifikationsfiguren gewählt haben (neben anderen Faktoren wie bspw. dem Aufbau vieler westlicher Spiele als Wettkampf mit ungewissem Ausgang). Und das klappt natürlich am besten, wenn die gewinnen oder gar Weltmeister werden (ein urdeutsches Anliegen, kleiner Scherz :D).

Und diese Wahl ihrer Identifikationsfiguren treffen sie aus ihrem Nationalismus heraus, weil es überhaupt keinen natürlichen Maßstab gibt, anhand dessen sie sonst ihre Sympathie verteilen sollten: Selbst wenn die Leute die Mannschaft mit dem selben Schichthintergrund und dahingehend ähnlichem Habitus (meint: Alltagssicht und Verhalten, also: kulturelle Ähnlichkeit) anfeuern würden, wäre das ja auch eine willkürliche Wahl.
Die Leute nehmen sich aber die Nationalität als Maßstab ihrer Identifikationszuschreibung, eben weil das der ist, mit dem sie in ihrem Alltagsleben andauernd und ständig herumhantieren: Sie sehen sich selber als Deutsche und da sind sie stolz drauf, das ist für sie ein integraler Bestandteil ihrer Identität. Ein Identitätsbestandteil, der natürlich lediglich konstruiert ist, ohne tatsächlich realweltlichen Gegebenheiten zu entsprechen - Die Deutschen haben untereinander mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten und mehr Gemeinsamkeiten mit anderen Nationalitäten, als Unterschiede.

Trotzdem wachsen sie mit dieser Idee von sich als Deutsche auf, womit wir wieder bei der Gesellschaft sind, die solche Ideen hervorbringt und den Interessen, de dadurch erfüllt werden: Dem Interesse besitzender Kreise und des Staates an einem Staatsvolk, das an seiner Indienstnahme für die gesellschaftliche Verrücktheit des Kapitals nichts schlimmes findet, sondern die gesellschaftlichen Verhältnisse (die von Lohnabhängigen zu Kapitalisten, Lohnabhängigen zu Politikern/Beamten usw.) zur Vorstellung einer nationalen Gemeinschaft überhöht. Auf die man dann auch noch stolz sein soll, obwohl sie einem das schöne Leben klaut (siehe meine Postings 1 und 2)
NathanaelDK hat geschrieben:Außerdem sollte man dann vielleicht mal hinterfragen, warum einen die ganzen St. Pauli-Aufkleber überall auf dem Gelände nicht stören. Vielleicht, weil man sich eben doch selbst auch mit einer gleichgesinnten Gruppe identifiziert?
St. Pauli-Fantum ist mir einfach deshalb egal, weil da keine gesellschaftlich-wirksame Ideologie hintersteht, die den Leuten das Mitmachen am Kapitalismus schmackhaft macht, indem diese ihnen vorgaukelt, es gäbe homogene, nationale Gemeinschaften mit gemeinsamen Interessen, auf die man auch noch stolz sein kann ;)

Wenn die Welt so organisiert wäre, dass alle friedlich im Kommunismus* zusammenleben und trotzdem Bock auf ne Fußballweltmeisterschaft hätten, bei denen man dann sagt: Wir unterteilen dafür die Welt nach Breitengrad x/Längengrad y und jedes so konstruierte Gebiet stellt eine Mannschaft ihrer besten Spieler zusammen, jeder bekommt unterschiedliche Farben und dann wird gekickt, wärs mir auch vollkommen egal! Nur um das nochmal zu betonen :D
Es geht nicht um Fußball, es geht um die Ideologien und gesellschaftlichen Strukturen, die heutzutage die Fußballweltmeisterschaft zu dem machen, was sie ist: Ein Wettkampf zwischen Nationen, deren Bevölkerungen endlich kapieren sollten, dass ihre Unterschiede konstruiert und minimal sind und die die Nationalstaaten mitsamt ihrer Wirtschaftsweise auf den Müllhaufen der Geschichte werfen sollten. Das diese Einsicht sich eben nicht einstellt, dazu trägt das nationale Fußballevent seinen kleinen Teil bei.


*Meint: Eine Vereinigung von Menschen, die mit Hilfe der riesigen produktiven Kapazitäten, die heutzutage zur Verfügung stehen, ihren Bedarf an Lebens- und Luxusgütern deckt, die notwendige Arbeitszeit auf das absolute Minimum zu reduziert und auf ihre Mitglieder aufteilt. Dann arbeitet jeder seine 10 Wochenstunden, ohne der Despotie seines Chefs ausgeliefert zu sein und genießt den Rest seines Lebens, anstatt sich ständig darum Sorgen machen zu müssen, wie man für die nächsten Jahre an Geld rankommt. Das kommt wohl auch jedem Fußballfan bekannt vor :).
Hermann, die Elfe hat geschrieben:Jaja, der *wirkliche wahre* Fusionspirit ist natürlich, die Argumente aus anderen Postings einfach zu ignorieren, und u.a. Leuten, die sich (anscheinend ;) ) viel Mühe gegeben haben, sachlich die Argumente für ihre Position zusammenzustellen, Stumpfheit und Nerverei vorzuwerfen... :roll:

Und ein liebes Dankeschön an partymagnet für einen wundervollen Post (den ich ganz und mit Begeisterung gelesen habe ;) ).
Danke, hat mich sehr gefeut :). Ich würde mir jetzt auch nicht die Mühe hier machen, wenn ich nicht wüsste, dass ein guter Teil der fusion besucher das auch so sieht und sich so wie ich mit, na ja, sagen wir: Enttäuschung an die Jubelorkane zurückerinnert, die beispielsweise bei der letzten wm über den Platz gefegt sind ;).
NathanaelDK
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Re: EM Finale

Beitrag von NathanaelDK »

partymagnet hat geschrieben:Wenn es nur um Spaßmaximierung gehen würde, wäre es beispielsweise rational, die Mannschaft, die das aufregendste Spiel bietet oder die, die am häufigsten gewinnt, als Favoriten zu wählen. Oder die mit den geilsten Körpern. Wenns um kulturelle Nähe gehen würde, müsste man wohl erst mal wenigstens ein Telefongespräch mit denen führen. Das wären dann ne Menge Gespräche :D.
Der Spaßfaktor besteht nicht nur darin, Leuten, die ihre Tätigkeit wahnsinnig gut beherrschen, zuzusehen. Der Großteil des Fan-Daseins besteht in Identifikation und Gruppenzugehörigkeit, eine der stärksten menschlichen Antriebe.
partymagnet hat geschrieben:Der Sport ist für die Menschen ein bloßes Vehikel um Glückshormone abzugreifen, die vor allem ausgeschüttet werden, weil sie die Sportler als Identifikationsfiguren gewählt haben (neben anderen Faktoren wie bspw. dem Aufbau vieler westlicher Spiele als Wettkampf mit ungewissem Ausgang). Und das klappt natürlich am besten, wenn die gewinnen oder gar Weltmeister werden (ein urdeutsches Anliegen, kleiner Scherz ).
Ich bin einer Meinung, sehe aber kein Problem. Primitiver Antrieb ist nicht "schlechter" als anderer Antrieb und solange die Antagonismen im Spiel als sportliche Rivalität gesehen werden, denke ich sogar, dass sie gesund sind. Dasselbe gilt doch, wenn ich mit meinen Jungs zum Kicken rausgehe. Die Rivalität besteht und ist direkt nach dem Spiel vergessen. Dass das nicht alle so sehen, ist bedauerlich.
partymagnet hat geschrieben:Die Leute nehmen sich aber die Nationalität als Maßstab ihrer Identifikationszuschreibung, eben weil das der ist, mit dem sie in ihrem Alltagsleben andauernd und ständig herumhantieren: Sie sehen sich selber als Deutsche und da sind sie stolz drauf, das ist für sie ein integraler Bestandteil ihrer Identität. Ein Identitätsbestandteil, der natürlich lediglich konstruiert ist, ohne tatsächlich realweltlichen Gegebenheiten zu entsprechen - Die Deutschen haben untereinander mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten und mehr Gemeinsamkeiten mit anderen Nationalitäten, als Unterschiede.
Das sehe ich anders. Allein durch unsere gemeinsame Sprache, die deshalb auch formt, wie und worüber geredet wird, ensteht nationale Kultur. Das ist an sich auch überhaupt kein Problem. Indem ich hier aufgewachsen bin, bin ich ganz klar durch den deutschen Diskurs beeinflusst und verhalte mich gegenüber aller Existenz vor allem deutsch. Trotzdem bin ich absoluter Internationalist und Feind von Nationen und nationalen Grenzen.

Es lohnt sich allerdings nicht zu behaupten, dass der durchschnittliche Deutsche mehr mit dem durchschnittlichen Franzosen gemein hat als mit seinem deutschen Nachbarn. Von Kulturen, die wahnsinnig anders sind als die europäischen, muss ich gar nicht erst anfangen.

Deshalb sehe ich ohne Zweifel den "realweltlichen" Zusammenhang, ob der nun irgendwann einmal künstlich konstruiert wurde oder nicht. Dass der jetzt ebenso künstlich von irgendeiner politischen bösen Macht aufrechterhalten wird, glaube ich auch nicht. Die Machthaber der Nationen dieser Erde haben doch Nationalgefühle genau so internalisiert wie der Durchschnittsbürger. Und würden wir im Übrigen alle Grenzen endlich auslöschen und eine Form von Weltgesellschaft kreieren, wäre das vorerst eine genau so künstliche Aktion wie das Kreieren eines Nationalstaats.
partymagnet hat geschrieben:Wenn die Welt so organisiert wäre, dass alle friedlich im Kommunismus* zusammenleben und trotzdem Bock auf ne Fußballweltmeisterschaft hätten, bei denen man dann sagt: Wir unterteilen dafür die Welt nach Breitengrad x/Längengrad y und jedes so konstruierte Gebiet stellt eine Mannschaft ihrer besten Spieler zusammen, jeder bekommt unterschiedliche Farben und dann wird gekickt, wärs mir auch vollkommen egal! Nur um das nochmal zu betonen
Das wäre exakt dasselbe Modell, wie wir es heute haben, nur dass Leute Fans von "Block B12" und "Block F7" der Weltgeographie wären, anstatt sich mit Nationalstaaten zu identifizieren.



Und genau so wie mir der Hamburger Club natürlich durch geographische Nähe und Bekanntheitsgrad angeeignet wurde und wie meine Loyalität aufrechterhalten wird, verhält es sich auch mit der deutschen Nationalmannschaft. Es hat tatsächlich eine Weile gedauert, bis ich gecheckt hab, dass man das als nationalen Wettbewerb der Länder ansehen könnte. Als Merkel dann auch noch irgendwann auftauchte, fand ich das völlig absurd. Was will die Olle da? Was hat Fußball mit Politik zu tun? Ich glaub, die Mannschaft von 2006 hat sogar irgendeinen nationalen Titel für Verdienste ums Land oder son Blödsinn verliehen bekommen, was jawohl der Gipfel an Beschränktheit ist.

Von genau dieser Tendenz halte auch ich überhaupt nichts und es gibt mehrere Fans, die es so sehen wie ich. Sicherlich sind sich die meisten Fans der psychologischen und soziologischen Mechanismen des Fan-Daseins völlig unbewusst, konsumieren unbewusst und sind vielleicht sogar "stolze Deutsche", so gegenstandslos das auch sein mag. Aber ich denke, dass es vor allem die erste Gruppe sein wird, die es auf die Fusion treibt. Es ist nun einmal ziemlich bekannt, dass die Fusion ein linkes Festival ist (da können die Betreiber sagen, was sie wollen) und die meisten konsumeristischen, materialistischen, wirtschaftsliberalen, unkritischen Semi-Nationalen, die ich kenne, würden nicht im Traum daran denken, hier dabei zu sein.

Ich sehe einfach im Großen und Ganzen keine Gefahr! Lass doch die, die Bock drauf haben, auf ihrem Campingplatz oder im Dorf Fussi gucken, die meisten werden's nicht einmal merken, wenn sie gerade irgendwo absteppen.
freq
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Re: EM Finale

Beitrag von freq »

NathanaelDK hat geschrieben:Es hat tatsächlich eine Weile gedauert, bis ich gecheckt hab, dass man das als nationalen Wettbewerb der Länder ansehen könnte. Als Merkel dann auch noch irgendwann auftauchte, fand ich das völlig absurd. Was will die Olle da? Was hat Fußball mit Politik zu tun? Ich glaub, die Mannschaft von 2006 hat sogar irgendeinen nationalen Titel für Verdienste ums Land oder son Blödsinn verliehen bekommen, was jawohl der Gipfel an Beschränktheit ist.
Ich finde es super, das bei Dir der Groschen schon gefallen ist...das Problem ist nur, das dieses Phänomen im restlichen Teil der Gesellschaft leider eine gegenteilige Richtung eingeschlagen hat.

Mit Hilfe der Medien...allen voran die BLÖD-Zeitung...und diversen Werbeagenturen, werden WIR mal zum Papst stilisiert, beim nächsten Mal sind WIR dann Lena und ganz generell sind WIR ja sowieso immer Deutschland :shock:

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(mal 2 Beispiele aus der Gegenkampagne)

Makaberer Hintergrund zur Kampagne auf http://www.zeit.de/online/2005/48/denn_ ... eutschland und https://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig ... 9/26/a0134 ...denn eigentlich kommt das mal wieder von ganz wo anders...

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NathanaelDK hat geschrieben:Von genau dieser Tendenz halte auch ich überhaupt nichts und es gibt mehrere Fans, die es so sehen wie ich. Sicherlich sind sich die meisten Fans der psychologischen und soziologischen Mechanismen des Fan-Daseins völlig unbewusst, konsumieren unbewusst und sind vielleicht sogar "stolze Deutsche", so gegenstandslos das auch sein mag. Aber ich denke, dass es vor allem die erste Gruppe sein wird, die es auf die Fusion treibt. Es ist nun einmal ziemlich bekannt, dass die Fusion ein linkes Festival ist (da können die Betreiber sagen, was sie wollen)...
Haben die Betreiber jemals etwas anderes behauptet?

NathanaelDK hat geschrieben:...und die meisten konsumeristischen, materialistischen, wirtschaftsliberalen, unkritischen Semi-Nationalen, die ich kenne, würden nicht im Traum daran denken, hier dabei zu sein.
So hat das vor einigen Jahren sicher mal angefangen, doch angesichts der Müllberge und kompletten Wohnzimmereinrichtungen auf dem Platz, diversen tollen FaceBook-Gruppen, Kartenpreisgeboten von 150 €, Luxuskarossen und Palettenweise Deutschlandbüchsenbier bin ich mir da leider nicht mehr ganz so sicher :roll:

Und eben deshalb ist es auch wichtig, diese und ähnliche Diskussionsthemen in regelmässigen Abständen mal wieder aufzuwärmen...denn leider kennt nicht mehr jeder die Ursprünge und Beweggründe für dieses phantastische Fest :mrgreen:
Alexander
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Re: EM Finale

Beitrag von Alexander »

freq hat geschrieben: So hat das vor einigen Jahren sicher mal angefangen, doch angesichts der Müllberge und kompletten Wohnzimmereinrichtungen auf dem Platz, diversen tollen FaceBook-Gruppen, Kartenpreisgeboten von 150 €, Luxuskarossen und Palettenweise Deutschlandbüchsenbier bin ich mir da leider nicht mehr ganz so sicher.
* Selbst das beste Müllpfandsystem bringt nichts, wenn man den Müll nicht abgeben kann. Letztes Jahr musste man Stunden anstehen, bis man endlich sein Geld wiedersehen konnte. Da verstehe ich wenn der eine oder andere seinen Müllsack nicht wegbringt.
* Wenn man Leute mit ihrer Wohnzimmereinrichtung auf's Gelädne lässt, dann werden ein Großteil die eingeweichten und zugematschten Möbelstücke nicht nach Hause nehmen, liegt doch auf der Hand.
* Was hast du dagegen, wenn die Leute sich in Gruppen auf FaceBook organisieren? Sie haben ja eh schon alle einen Account, da können sie sich auch dort treffen und gemeinsam die (An-/Ab-)Reise planen. Oder sie geben sich tipps, was zu beachten ist, wie man am besten durch den Regenschauer kommt. Dinge halt.
* Zu Kartenpreisangeboten um die 150€ gehören auch immer Käufer die diese Karten kaufen. Wer im Dezember 1010 nicht in der Lage war sich eine Karte zu klicken, der muss halt draufzahlen, ist ja schließlich ein Privileg zur Fusion zu fahren. FirstComeFirstServe und so. -- Mal sehen ob es diese Jahr besser klappt. (Es wirkt noch so, als könnte man immernoch Handel über ebay und Co treiben).
* Wenn ich aus Gründen einen schönes Auto fahre, darf ich das dann nicht mit zur Fusion nehmen?
* Wenn das Bier in den Schwarz-Rot-Gelb-gestreiften Dosen das künstigste ist oder einfach nur schmeckt, wo ist dann genau das Problem wenn man davon direkt ein paar Paletten für seine Mitstreiter kauft?

Ein Teil der Probleme kann man lösen, indem man dem Event die Anonymität nimmt, einen anderen, indem man an einen paar Eckpunkten Dinge optimiert.

Was mir nicht gefällt: Das Feindbild vom bösen Rumsauenden Festivalbesuchen, mir scheint als würde genau das der alte Fusionhase auf's Korn nehmen 8-) .

LG Alex
freq
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Re: EM Finale

Beitrag von freq »

Alexander hat geschrieben:* Selbst das beste Müllpfandsystem bringt nichts, wenn man den Müll nicht abgeben kann. Letztes Jahr musste man Stunden anstehen, bis man endlich sein Geld wiedersehen konnte. Da verstehe ich wenn der eine oder andere seinen Müllsack nicht wegbringt.
* Wenn man Leute mit ihrer Wohnzimmereinrichtung auf's Gelädne lässt, dann werden ein Großteil die eingeweichten und zugematschten Möbelstücke nicht nach Hause nehmen, liegt doch auf der Hand.

Die Wegwerf-Mentalität nimmt einfach überhand...und ich rede nichtmal vom Ausnahmezustand 2011. Es ist für viele Leute mittlerweile anscheinend Standard, da mit komplett frischer Camping-Garnitur aufzulaufen und den Scheiss dann einfach stehen zu lassen...incl Massen von Alltagsabfall, Zigarettenkippen und vollgeschissenen Eimern...konsumieren und weg...nach mir die Sintflut. Soviel zur Ferienkommune...

Alexander hat geschrieben:* Was hast du dagegen, wenn die Leute sich in Gruppen auf FaceBook organisieren? Sie haben ja eh schon alle einen Account, da können sie sich auch dort treffen und gemeinsam die (An-/Ab-)Reise planen. Oder sie geben sich tipps, was zu beachten ist, wie man am besten durch den Regenschauer kommt. Dinge halt.

Facebook stinkt...ist ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen und Büttel der Geheimdienste...sie verwandeln Nutzer und ihre Informationen in Kapital...da hat die Fusion nichts verloren.

Alexander hat geschrieben:* Wenn ich aus Gründen einen schönes Auto fahre, darf ich das dann nicht mit zur Fusion nehmen?

Zwischen einem schönen Auto und einer Luxuskarosse liegen mitunter Welten...aber unterm Strich dürfen Menschen, die sich durch ein Statussymbol in Form eines dicken BMW oder Benz auch gerne auf ein kapitalistisch ausgelegteres Festival verfahren...dann bleiben auch mehr Karten über, für die Menschen, die keine 150 € übrig haben.

Alexander hat geschrieben:* Wenn das Bier in den Schwarz-Rot-Gelb-gestreiften Dosen das künstigste ist oder einfach nur schmeckt, wo ist dann genau das Problem wenn man davon direkt ein paar Paletten für seine Mitstreiter kauft?

Es ist nicht günstiger oder leckerer, als aus der schwarzen Dose, in der es das ganze Jahr über verkauft wird...siehe Suchbegriffe Nationalgedöns.
Ulfmann
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Re: EM Finale

Beitrag von Ulfmann »

Können wir nun wieder über Fußball reden?! :?
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